Crowdfunding: Chancen und Risiken der Schwarmfinanzierung
Von: Verbraucherzentrale Bayern
In diesem Beitrag finden Sie
Was ist Crowdfunding?
Eines der ersten bekannten Beispiele des Crowdfunding war die Finanzierung des Sockels der amerikanischen Freiheitsstatue durch 120.000 Spender im Jahr 1885. Der Zeitungsverleger Joseph Pulitzer warb für diese Aktion und druckte dafür alle Spendernamen in seinen Zeitungen ab. Heute hat sich das online-basierte Crowdfunding etabliert. Begonnen als Finanzierungsmittel im Kunst- und Musikbereich (z.B. Vorfinanzierung eines Studioalbums) ist es mittlerweile in der Form des Crowdinvesting eine relevante Finanzierungsform für StartUps, Immobilien- und Energieprojekte.
Welche Formen des Crowdfunding gibt es?
-
Non Profit-Modelle (donation/reward): Über eine Vielzahl von Spendern wird ein konkretes Projekt finanziert. Die Bewerbung und Vermittlung der Projekte erfolgt über Internetplattformen. Die Spender erhalten keine (donation) oder nur eine geringwertigere materielle Gegenleistung (reward).
-
Crowdlending: Hierbei handelt es sich um die Vermittlung von Darlehen über eine Internet-Dienstleistungsplattform zwischen einer Vielzahl von Darlehensgebern, einem Darlehensnehmer und einem Kreditinstitut. Erfolgt die Kreditvergabe zwischen Privatpersonen spricht man von Peer-to-Peer-Lending.
-
Crowdinvesting: Ein kapitalsuchendes Unternehmen (Emittent) finanziert ein konkretes Projekt (Investment) durch eine Vielzahl von Geldgebern (Investoren). Die Investoren legen für eine festgelegte Laufzeit an und werden dafür mit einem festen Zinssatz oder einer Beteiligung an zukünftigen Gewinnen des Projekts beteiligt. Angebot und Vermittlung des Investments erfolgt über spezialisierte Internetplattformen.
Chancen und Risiken aus Verbrauchersicht
Non Profit Modelle:
- Jedermann kann ohne großen Aufwand interessante Projekte individuell fördern und an deren Entstehung teilhaben.
- Es drohen keine besonderen Risiken, da für Spender keine existentiellen wirtschaftlichen Nachteile bestehen.
Crowdlending:
- Unkompliziert und bequem kann jeder Verbraucher zum Kreditgeber werden. Dabei werden höhere Renditen als auf dem herkömmlichen Geldanlagemarkt in Aussicht gestellt.
- Zahlungsausfall des Kreditnehmers bis hin zum Totalverlust ist möglich. Durch falsche oder irreführende Angaben des Kreditnehmers bzw. mangelhafte Verifikation durch die Plattform kann es zu fehlerhaflten Risikobewertungen durch die Kreditgeber und somit zu finanziellen Fehlentscheidungen kommen. Weil der Onlinevertrieb ohne Beratung konzipiert ist, gibt es keine Schadensersatzansprüche aus Beraterhaftung.
Crowdinvesting:
- Im Jahr 2020 lag das Volumen erfolgreich platzierter deutscher Crowdinvestments bei 327 Millionen Euro und erfreut sich weiterhin wachsenden Interesses.
- Ohne Beteiligung einer Bank oder eines klassischen Finanzvermittlers können Verbraucher jederzeit und von zuhause aus zum Investor werden.
- Hierzu gibt man einem Unternehmen ein Darlehen (Nachrangdarlehen oder partiarisches Darlehen), welches dafür die Zahlung eines bestimmten Zinssatzes (5-7 Prozent) in Aussicht stellt. Daneben sind auch noch andere Finanzierungsformen wie etwa Unternehmensanleihen, stille Beteiligungen, Genussrechte oder Kommanditanteile denkbar.
- Diese Form der Geldanlage ist dem grauen Kapitalmarkt zuzuordnen und eignet sich keinesfalls für die Altersvorsorge, so dass gerade Privatanleger eine Beteiligung gut überdenken sollten. Bereits 2017 hat der Marktwächter Finanzen der Verbraucherzentrale Hessen 83 Crowdinvesting-Projekte auf 33 Plattformen untersucht. Im Ergebnis können danach Anleger sich oft nur unzureichend über die Projekte informieren, weil Angaben zum Investment häufig ungenau und die Informationen zu Laufzeit und Kündigung unvollständig sind. Außerdem herrscht wenig Kostentransparenz und die Angebote sind kaum vergleichbar.
Hauptrisiken für Anleger:
- Fehlvorstellungen über Art und Risiken der Geldanlage
-
Totalverlustrisiko (25 Prozent der Crowdinvesting-Firmen scheitern vorzeitig)
- Schlechtes Rendite-Risikoverhältnis: Renditeerwartungen liegen bei 5-7 Prozent (Marktwächter Finanzen dazu: „Professionelle Investoren verlangen für vergleichbare Risiken jährliche Rendite von mindestens 20 Prozent!“)
-
Nachrangdarlehen nur durch Initiator vorzeitig kündbar. Oft ohne Entschädigung für die Anleger
- Wegen Direktvertriebs keine Schadensersatzansprüche aus Beraterhaftung möglich
Risiko Crowdinvesting: Regulierung durch Gesetzgeber
Der Gesetzgeber bewertet insbesondere beim Crowdinvesting die Risiken als besonders hoch, weil diese für den Anleger kaum einschätzbar sind. Durch das 2015 eingeführte Kleinanlegerschutzgesetz sollte den Belangen zwischen Anlegerschutz und den wirtschaftlichen Interessen der Emittenten auch gesetzlich Rechnung getragen werden:
Die weit überwiegenden Investments beim Crowdinvesting sind Formen des Nachrangdarlehens und damit Vermögensanlagen gem. Vermögensanlagengesetz- (VermAnlG). Um Investoren eine informierte Anlageentscheidung zu ermöglichen, muss der Emittent einen Verkaufsprospekt und ein Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB) veröffentlichen.
Für das Crowdinvesting sieht der § 2a VermAnlG aber Ausnahmen vor. Der Emittent benötigt keinen Verkaufsprospekt und nur ein dreiseitiges VIB, wenn das Investitionsvolumen maximal sechs Millionen Euro beträgt und wenn der Emmitent nicht noch mehr Vermögensanlagen anbietet, welche in einem Zeitraum von zwölf Monaten im Wert diesen Betrag nicht überschreiten.
Seit dem 15.7.2019 gilt zudem für alle Crowdinvesting-Projekte eine maximale Zeichnungsgrenze pro Anleger von 25.000 Euro. Wer mehr als 1.000 Euro investieren möchte, muss mindestens über 100.000 Euro Vermögen verfügen. Außerdem darf nicht mehr investiert werden, als man in zwei Monaten durchschnittlich netto verdient.
- Grauer Kapitalmarkt
- Crowdinvesting Studie des Marktwächters Finanzen der VZ Hessen
- Finanzierungshilfen
- Nachhaltige Geldanlagen: Ökologisch, ethisch und sicher investieren
- Sichere Geldanlagen
- Crowdinvesting: Artikel der Verbraucherzentrale Bayern
- Crowdinvesting Studie des Marktwächters Finanzen der VZ Hessen
Der Freistaat Bayern stellt Ihnen auf dieser Website unabhängige, wissenschaftsbasierte Informationen zum Verbraucherschutz zur Verfügung.
Einzelfallbezogene Rechtsauskünfte und persönliche Beratung können wir leider nicht anbieten. Auch dürfen wir Firmen, die sich wettbewerbswidrig verhalten, nicht selbst abmahnen.
Sollten noch Fragen zu Ihrem konkreten Sachverhalt verbleiben, wenden Sie sich bitte an die unter Service genannten Anlaufstellen.
Alle Artikel zum Thema
Kredite & Finanzierung
- Der Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag
- Autofinanzierung: Bar, Kredit oder Leasing?
- Was ist ein Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag?
- Finanzierungshilfen: Ratenkauf, Zahlungsaufschub, Leasing
- Revolving-Kreditkarten: Gefahr der Schuldenfalle
- Kreditverkäufe durch Banken: Wie sich Verbraucher absichern
- Kreditvergabe: Zu alt für Darlehen oder Ratenkauf?
- Geldanlage im Ruhestand: Was muss ich beachten?
- Crowdfunding: Chancen und Risiken der Schwarmfinanzierung
- Gebühren des Inkassobüros: Welche sind zulässig?
- Häufige Fragen zur SCHUFA
- Smart Home - Reihe